Kolumne #4

Gedanken zur Gerechtigkeit von Pfarrer Andreas Rösner.

Kolumne Fastenaktion 2022 am 26. März

„Mantel der Gerechtigkeit“

Kleider machen Leute, so heißt der Titel einer Novelle von Gottfried Keller. Mit Kleidern können wir Menschen ausdrücken, wer wir sind. Sie können sich aber auch hinter den Kleidern verstecken, die unangenehmen, herausfordernden und schwierigen Seiten bei sich verdecken.

Kleidung ist Ausdruck der Persönlichkeit, der Individualität, aber auch der Abgrenzung. Einheitliche Kleidung, Schuluniform oder das in manchen Kirchengemeinden einheitliche Kommuniongewand, wollen die Unterschiede nach sozialer Schicht zumindest für einen Augenblick, für die Zeit des Zusammenseins in der Gruppe aufheben und allen gleiche Rechte zugestehen.

Von Kleidung, Kleidern und Gewändern wir an vielen Stellen in der Bibel erzählt. Vom Alltagsgewand, dem Festgewand, Trauer- und Bußgewand.

Die Bibel bleibt jedoch nicht bei den Kleidern stehen, sondern sie nimmt die Gewänder, die den Körper des Menschen umgeben und einhüllen, als Bild für die Gottesbeziehung und das Leben aus dem Glauben: Die Kleidung, die Gott dem Menschen mitgibt auf seinem Lebensweg, sind die Gewänder des Heils, der Mantel der Gerechtigkeit, wie es beim Propheten Jesaja heißt. Diese Kleidung ist es, die den Menschen umhüllt, schützt und birgt, die ihm näher ist als jedes Gewand. Sie macht ihn fähig und bereit, Erbarmen, Güte, Demut,  Milde und Geduld anzulegen und damit beizutragen, zu einer neuen menschlicheren Welt und Gesellschaft.

Unsere diesjährige Fastenaktion von Misereor trägt den Titel: „Es geht! Gerecht“. Ein Blick in unsere Welt zeigt uns tagtäglich, wieviel Ungerechtigkeit es gibt, wo Kinder arbeiten müssen, um die Familie zu ernähren und ihre Bildungschancen gleich null sind; Frauen nicht die gleichen Rechte haben wie Männer; Menschen, menschenunwürdig leben müssen und nicht das Nötigste zum Leben haben; Armut und Reichtum ungerecht verteilt sind;  Menschenrechte verletzt werden.

Wenn Gott uns, mir, den Mantel der Gerechtigkeit umgelegt hat, dann sollen, dann soll ich etwas von diesem Heil und dieser Gerechtigkeit in die Welt hineintragen.

Die Fastenzeit möchte meinen Blick schärfen, Ungerechtigkeiten wahrzunehmen und meinen Beitrag zur Gerechtigkeit zu leisten.

Das betrifft auch die Klimagerechtigkeit. Der erlebte Klimawandel stellt uns Menschen auf der ganzen Welt vor große Herausforderungen. Er ist menschengemacht. Die großen Industrienationen haben das zu verantworten, weil ein Großteil des CO 2 Ausstoßes hier seine Ursache hat. Arme Länder leiden zusätzlich durch die Erderwärmung. Da sind Wirtschaft und Politik in einer besonderen Pflicht. Aber auch jeder von uns kann seinen Beitrag leisten hier eine Veränderung herbeizuführen. Wie ernähre ich mich? Was und wie kaufe ich ein? Was trage ich bei zur Bewahrung der Schöpfung? Ein Zeichen guten Willens können wir setzen an diesem Sonntag, 22.7. ist autofrei! Ich lade Sie ein mitzumachen aus Solidarität mit der Schöpfung und weil uns unsere Erde und die Menschen, die auf ihr leben, nicht egal sind.

Gott liebt die Gerechtigkeit. Das kann ich in der Bibel immer wieder lesen. „Gerechtigkeit und Recht sind die Stützen seines Throns“,  so spricht der Psalmbeter ( Psalm 89,15). Gott stellt sich immer wieder auf die Seite der Schwachen und Unterdrückten. Er will das auch der, die an ihn glaubt, das nicht aus dem Blick verliert. Gott fordert uns immer wieder auf, Gerechtigkeit gegenüber allen zu üben, da jeder Mensch sein Geschöpf und von ihm geschaffen ist. Ein kleines Gebet bringt das zum Ausdruck, was viele von uns in sich spüren:

„Ich bin voller Sehnsucht nach einer gerechteren Welt, nach einer Welt, in der die Menschen einander nicht mehr klein machen und ausbeuten. Ich bin voller Sehnsucht nach einer Welt ohne Unterdrückung, in der Gottes Geist und nicht der gnadenlose Mammon herrscht. Ich bin voller Sehnsucht nach einer Welt in der Menschen im Frieden miteinander leben können und jeder das Recht des anderen achtet“.

Andreas Rösner (Pfarrer Pfarrei St. Marien & Johannes, Sassenberg)